Seit April 2023 bin ich Vikar in der Tübinger Stephanuskirche. Eine Zeit voller Erfahrungen: Im Schuldienst, in der Zusammenarbeit mit unserem Kindergarten, in der Jugend- und Seniorenarbeit. Von Taufen über Hochzeiten bis ans Grab – direkt dran an den Menschen für deren Vertrauen ich mich nur bedanken kann.
Es ist eine wunderbare Arbeit!
Am heutigen „Altjahrsabend“ bin ich das letzte Mal im Einsatz, ehe ich voll in die heiße Phase des Wahlkampfs einsteige. Im heutigen Gottesdienst wird es darum gehen, das letzte Jahr noch einmal zu reflektieren: das Gute, aber auch was schlecht war. Und es geht darum, warum wir mit Hoffnung in das neue Jahr 2025 starten können. Das wünsche ich Euch allen!
Mich haben schon immer beide Welten fasziniert: Politik einerseits und alles, was mit Religion zu tun hat andererseits.
Zwar war ich selten ein „politischer Prediger“ aber natürlich immer ein sehr politischer Mensch. Ich habe immer versucht mein geistliches Amt von meinem parteipolitischen Engagement zu trennen. Auf meinen Social Media Kanälen habe ich so gut wie nie Kirchen-Content eingestreut. Ich wollte immer ein hohes Maß an Transparenz fahren – die Leute wussten immer, wo ich politisch stehe. Und zugleich ist es mir wichtig, dass ich mein Amt als Seelsorger, Lehrer oder Prediger nicht mit meiner politischen Arbeit verwechsle. Deshalb ruht mein geistliches Amt in den nächsten Wochen bis zu Wahl.
Der obige Gedanke gilt übrigens auch andersherum: Auch Politik sollte Religion nie für sich vereinnahmen.
Aussagen wie „Jesus würde diese oder jene Partei wählen“ finde ich hohl. Es ist doch befremdlich, wenn das Christentum von den einen wie eine identitätspolitische Monstranz vorgetragen wird, wo nichts dahinter ist, oder von den anderen als billige Argumentationshilfe für programmatische Interessen genutzt wird.
Und in diesem Sinne kann man auch über das „C“ im Namen meiner Partei vortrefflich streiten. Für mich ist es die ideelle Grundlage für mein Politikverständnis: Dass Politik nicht den „Himmel auf Erden“ schafft und der einzelne Mensch Würde hat.
Im tagespolitischen Geschäft entstehen daraus Spannungen. Da prallen „christliches Ideal“ und „Realpolitik“ zusammen. Leichter wäre es sicher, dass „C“ zu streichen und die Zuversicht fahren zu lassen oder aber immer stur bei einer wie auch immer gearteten reinen Lehre zu bleiben, die das Faktische ignoriert.
Der kluge König Salomon hat sich von Gott ein hörendes Herz gewünscht. Für uns Demokraten wären in diesen aufgeregten Zeiten ein paar hörende Herzen unter den geschmückten Weihnachtsbäumen eine gute Geschenkidee!
Auf dass wir uns ausreden lassen und unsere Argumente ernstnehmen, auf die Ängste und Hoffnungen von Menschen hören, ohne sie lächerlich zu machen und auch hinhören, wo uns jemand klugen Rat erteilt.
Bildnachweis Beitragsbild: Miri Nussbächer Fotografie